Alzheimer-Krankheit – den Menschen nicht vergessen
Alzheimer-Krankheit und Demenz: In der öffentlichen Wahrnehmung stehen diese beiden Begriffe meist gleichermassen für eine Krankheit, die vor allem älteren Menschen nach und nach die Erinnerung, die Persönlichkeit und auch die Selbstständigkeit nimmt und schliesslich zum Tod führt.
Dabei ist es wichtig, zwischen den beiden Begriffen zu unterscheiden: Demenz ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Wort, das wir nutzen, um einen Symptomkomplex zu beschreiben. Dieser tritt auf, wenn Gehirnzellen nicht mehr richtig arbeiten. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz und für 60 bis 70 Prozent aller Fälle verantwortlich.1 Daneben gibt es auch noch andere Formen der Demenz, beispielsweise die vaskuläre Demenz oder die Lewy-Körper-Demenz.2
Obwohl viele Menschen mit Alzheimer in Berührung kommen, ist die Krankheit für Betroffene und Angehörige nach wie vor oft ein Tabuthema, über das nicht offen gesprochen wird.
ALZHEIMER-KRANKHEIT – AUF EINEN BLICK
Starke Zunahme der Fallzahlen
Momentan leben rund 145'000 Menschen mit Demenz in der Schweiz. Bis 2050 könnte die Zahl der Erkrankten bereits auf 315'000 steigen.3
Frauen häufiger betroffen
Bei rund der Hälfte der Betroffenen fehlt eine ärztliche Diagnose und zwei Drittel der Erkrankten sind Frauen.3
Hohe Gesundheitskosten
In der Schweiz verursacht Demenz heute geschätzte jährliche Kosten von 11,8 Milliarden Franken.3
Was wissen wir über die Alzheimer-Krankheit?
Wichtig ist: Die Alzheimer-Krankheit ist keine normale Alterserscheinung. Zwar ist das Alter der wichtigste bekannte Risikofaktor für eine kognitive Verschlechterung, aber trotzdem ist die Alzheimer-Krankheit keine natürliche Folge des Alterns. 4,5
Die Alzheimer-Krankheit ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung des Gehirns. Sie beeinträchtigt zunehmend das Gedächtnis, das Denken und die Unabhängigkeit der Betroffenen.
Der Nervenarzt Alois Alzheimer (1864 - 1915) hat die Krankheit erstmals im Jahre 1906 wissenschaftlich beschrieben. Seither hat die Neurowissenschaft viel über die Entstehung und den Verlauf der Krankheit herausgefunden. Trotzdem sind die Ursachen und Zusammenhänge noch nicht abschliessend geklärt – und bis heute gibt es keine Heilung.
Die Alzheimer-Krankheit verändert das Gehirn
Im menschlichen Gehirn gibt es etwa 100 Milliarden Nervenzellen, die über ein hochkomplexes Netzwerk miteinander verbunden sind. Sie sorgen unter anderem dafür, dass wir denken, lernen und uns erinnern sowie sehen, hören und riechen können – alles wichtige Funktionen, um bewusst und selbständig leben zu können. Damit das koordiniert abläuft, kommunizieren die Nervenzellen miteinander. Hier beginnt das Problem bei der Alzheimer-Krankheit: Zunächst ist der Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen vermindert. Informationen können nicht mehr richtig verarbeitet und weitergeleitet werden. Im weiteren Verlauf sterben dann immer mehr Nervenzellen ab – sie degenerieren.
Ein typisches Anzeichen für die Alzheimer-Krankheit sind übermässige Ablagerungen von Proteinen im Gehirn, die Amyloid-Beta-Plaques, sowie Anhäufungen des Tau-Proteins. Die Veränderungen stehen im Zusammenhang mit kognitivem und funktionellem Verfall. Dieser neurodegenerative Prozess kann bereits 20 Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome beginnen. Zwischen den ersten Veränderungen im Gehirn und dem Auftreten von Symptomen kann also viel Zeit vergehen.6
Die verschiedenen Stadien der Alzheimer-Krankheit
Das Kontinuum der Alzheimer-Krankheit7
Der Verlauf der Alzheimer-Krankheit umfasst in der Regel mehrere Stadien und ist bei jeder Person anders. Der Schweregrad der Symptome nimmt mit fortschreitender Krankheit zu:
Präklinische Alzheimer-Krankheit: Die Betroffenen bemerken noch keine Symptome. Sie weisen jedoch bereits erste Anzeichen von Veränderungen im Gehirn auf.
Alzheimerbedingte leichte kognitive Beeinträchtigung: Die Betroffenen zeigen Symptome, welche bereits für Freunde und Familie bemerkbar sein können. Diese stören aber im Alltag noch nicht wesentlich. Symptome sind beispielsweise der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, des Überblicks über Tag und Datum oder Probleme bei der Wortfindung.
Leichte Alzheimer-Demenz: In diesem Stadium leben die Betroffenen oft noch unabhängig. Sie brauchen aber Unterstützung bei einigen Tätigkeiten.
Moderate Alzheimer-Demenz: Dies ist das längste Stadium der Krankheit. Betroffene entwickeln Schwierigkeiten bei der Kommunikation und erleben zunehmende Verwirrtheit.
Schwere Alzheimer-Demenz: Dieses Stadium erfordert ständige Fürsorge. Die Betroffenen nehmen ihre Umgebung nicht mehr richtig wahr und verlieren ihre körperlichen Fähigkeiten.
Die Feststellung, in welchem Stadium der Alzheimer-Krankheit sich Betroffene befinden, ist nicht nur für die Diagnose wichtig. Sie kann auch Angehörigen von Alzheimer-Patientinnen und -Patienten dabei helfen, Veränderungen im Verhalten nahestehender Menschen besser zu verstehen und damit umzugehen.
Die Diagnose der Alzheimer-Krankheit
Erhalten Patientinnen und Patienten die Diagnose Alzheimer-Krankheit, haben sie oft einen langen Weg hinter sich – geprägt von Ängsten, Scham und Verdrängung. Viele bemerken schon lange vorher, dass ihr Gedächtnis nicht mehr so zuverlässig funktioniert wie früher. Doch anstatt offen darüber zu sprechen und sich vielleicht an einen Arzt oder eine Ärztin zu wenden, werden erste Anzeichen häufig dem Alter zugeschrieben und verdrängt. Gleichzeitig entwickeln Betroffene Strategien, um die Beeinträchtigungen gegenüber Angehörigen oder Freunden zu verstecken.
Damit Menschen mit einer Alzheimer-Krankheit erste Anzeichen erkennen und sich mit dem Thema auseinandersetzen, sollte offen über das Thema gesprochen werden. So kann das Stigma rund um die Krankheit Stück für Stück abgebaut werden. Dabei helfen Informationen über die Alzheimer-Krankheit und andere Ursachen von Demenz. Beispielsweise ist es wichtig zu wissen, dass die frühe Diagnose der Alzheimer-Krankheit für das Ausschliessen reversibler Ursachen von kognitiven Störungen und die zeitgerechte Einleitung medikamentöser und nicht-medikamentöser Behandlungen unabdingbar ist.
Am Beginn des Diagnosepfads steht die Eigen- und Fremdanamnese, die auch in der frühen Erkrankungsphase schon charakteristische Hinweise auf eine Alzheimer-Krankheit geben kann.
Zu den weiteren diagnostischen Schritten gehören neuropsychologische Tests, eine medizinische Untersuchung inklusive Labordiagnostik und die zerebrale Bildgebung. Die Bestimmung von Biomarkern in der Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) trägt dazu bei, die Werte von Beta-Amyloid und bestimmten Arten von Tau genau zu bestimmen.6
Früherkennung: Der kritische Faktor Zeit
Die meisten Menschen sind bereits über 65 Jahre alt oder auch wesentlich älter, wenn sie die Diagnose Alzheimer erhalten – oft sind zu diesem Zeitpunkt die für eine Demenz typischen Symptome bereits deutlich ausgeprägt. Denn häufig verkennen Betroffene erste Anzeichen der Alzheimer-Krankheit über einen langen Zeitraum als „normale Alterserscheinung“ oder verdrängen sie aus Angst und Scham. Dabei beginnt der schleichende Prozess der Erkrankung schon Jahre zuvor.
Das alles erschwert eine frühe Diagnose. Doch gerade bei der Alzheimer-Krankheit ist Zeit ein kritischer Faktor: Je früher die Symptome erkannt werden, desto besser kann das Fortschreiten der Erkrankung beeinflusst werden. Denn solange Alzheimer-Patientinnen und -Patienten sich noch in einem frühen Stadium der Krankheit befinden, können sie sich bewusst damit auseinandersetzen und gesundheitsfördernde Massnahmen aktiv mitgestalten. Dazu gehört zum Beispiel eine gesunde Ernährung, mehr körperliche Bewegung und stärkere soziale Einbindung in den Alltag zu integrieren.8
Insgesamt kann eine frühzeitige Diagnose Menschen mit einer Alzheimer-Krankheit im Frühstadium Ängste nehmen und ihnen helfen, sich und ihre Angehörigen auf das mögliche Fortschreiten der Krankheit vorzubereiten.
Wie wird die Alzheimer-Krankheit behandelt?
Für die Alzheimer-Krankheit gibt es bis heute keine Heilung. Trotzdem kann man etwas tun: Eine frühzeitige Behandlung kann die Hirnleistung vorübergehend verbessern oder die Verschlechterung verzögern und Begleitsymptome wie Depressionen und Verhaltensstörungen lindern. Das verbessert nicht nur die Lebensqualität von Betroffenen, sondern ermöglicht ihnen auch, länger ihren gewohnten Alltag zu leben. Damit entlasten eine frühzeitige Diagnose und Behandlung nicht nur Angehörige und Pflegende – langfristig und gesamtgesellschaftlich betrachtet, wird auch unser Gesundheitssystem entlastet.
Bei der Behandlung von Menschen mit Alzheimer-Krankheit spielen sowohl symptomatische Arzneimittel als auch nicht-medikamentöse Therapieformen eine wichtige Rolle.
Aktuelle symptomatische medikamentöse Therapieoptionen umfassen Acetylcholinesterase-Inhibitoren und Memantine. Zudem stehen nicht-medikamentöse Interventionen wie Gedächtnistraining, sportliche Aktivität und Angehörigenberatung zur Verfügung.9
Alzheimer-Prävention: Ein gesundes Gehirn gehört zur Vorsorge
Sind wir im Alter der Alzheimer-Krankheit hilflos ausgeliefert? Zwei von drei Menschen glauben, dass Alzheimer ein normaler Teil des Alterns ist und man nichts tun kann, um der Krankheit vorzubeugen.10 Das ist in mehrfacher Hinsicht falsch: Alzheimer ist eine Erkrankung des Gehirns und keine zwangsläufige Alterserscheinung. Und es gibt Massnahmen zur Prävention.
Tatsächlich gewinnt das Thema Prävention auch in der Forschung immer mehr an Bedeutung. Aktiv für die eigene Gehirngesundheit zu sorgen, wird immer populärer. Denn neben körperlicher Fitness und gesunder Ernährung ist auch die geistige Gesundheit eine wichtige Komponente, um gesund alt zu werden.
Das Gehirn spielend auf Trab halten
Kontinuierliches Gehirntraining fördert die Bildung neuer Synapsen, also Verbindungen zwischen Nervenzellen. Dies führt zu einer besseren Leistungsfähigkeit des Gehirns und kann das Risiko einer Alzheimer-Erkrankung senken oder den Ausbruch und Verlauf der Krankheit verzögern. Insbesondere Spiele, die unser Denk- und Kombinationsvermögen fordern, oder kreative Tätigkeiten halten unser Gehirn mit neuen Reizen auf Trab.
Weitere Möglichkeiten sind neue Sprachen zu erlernen oder andere Hobbies auszuprobieren. Wichtig ist auch, immer mal wieder aus Routinen auszubrechen und neue Eindrücke zu gewinnen.
Das macht nicht nur Spass: Alles, was dem Gehirn neues Futter zur Verarbeitung gibt, stärkt unsere Nervenzellen und beugt somit dem Ausbruch einer möglichen Alzheimer-Krankheit vor.8
Alzheimer – darüber sollten wir reden
Am Anfang werden sie von Angehörigen oder nahestehenden Freunden belächelt: Ältere Menschen, die immer mal wieder Gegenstände verlegen, häufiger dieselben Fragen stellen oder eine Verabredung vergessen. „So ist das eben, wenn man älter wird …“, heisst es dann oft. Doch was bleibt, ist Schweigen und ein ungutes Gefühl – Scham und Angst darüber zu sprechen, was vielleicht sein könnte: Alzheimer.
Alzheimer ist ein Thema, das in unserer Gesellschaft noch zu oft verdrängt wird: Der jahrelange, geistige und körperliche Verfall eines Menschen bis hin zum völligen Kontrollverlust, zur Hilflosigkeit und schliesslich zum Tod, macht vielen Sorge.
Menschen Mut machen
Neben einer frühen Diagnose sind Aufklärung und Informationen über die Alzheimer-Krankheit wichtige Massnahmen. Das Sprechen über Demenz hilft, die Menschen zu ermutigen, sich mehr zu informieren und sich Hilfe, Rat und Unterstützung zu suchen. Je eher sich Menschen mit der Möglichkeit auseinandersetzen, dass sie an Alzheimer erkrankt sein könnten, desto länger können sie es mit Hilfe von Familie, Freunden und erfahrenen Ärzten schaffen, ihren gewohnten Alltag beizubehalten.
Referenzen
- WHO, Dementia Key Facts, 2020, https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/dementia
- Alzheimer’s Research UK, Types of Dementia: https://www.alzheimersresearchuk.org/dementia-information/types-of-dementia
- Alzheimer Schweiz, Demenz in der Schweiz, Zahlen und Fakten, 2020, https://www.alzheimer-schweiz.ch/de/ueber-demenz/beitrag/demenz-in-der-schweiz
- Eurostat, Population Numbers and Ageing, https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Population_structure_and_ageing
- WHO, Risk Reduction of Cognitive Decline & Dementia, https://www.who.int/mental_health/neurology/dementia/guidelines_risk_reduction/en/
- Alzheimer’s Association, 2020 Alzheimer’s disease facts and figures, Alzheimer’s Dement., 16: 391-460. https://doi.org/10.1002/alz.12068
- Dubois B. et al., Revising the definition of Alzheimer’s disease: a new lexicon, Lancet Neurol 2010; 9:1118–1127; Alzheimer’s Association.
- Alzheimer Schweiz, Demenz vorbeugen – So halten Sie Ihr Gehirn fit, 2020, https://www.alzheimer-schweiz.ch/de/publikationen-produkte/produkt/demenz-vorbeugen-so-halten-sie-ihr-gehirn-fit
- Robinson L et al., Dementia: timely diagnosis and early intervention, BMJ 2015 Jun 16;350:h3029.
- Alzheimer's Disease International, World Alzheimer Report 2019 – Attitudes to dementia.